Die Diskussion "Pro
oder Contra Fahrradwege" wird immer wieder kontrovers
unter Radlern diskutiert. (Die meisten Radfahrer sterben durch
rechts abbiegende PKW und LKW weil sie auf dem Radweg nicht
rechtzeitig gesehen werden.) Richtig ist, dass Radwege meist
unzureichend bis gefährlich für Radfahrer sind.
Richtig ist aber auch dass Radwege das subjektive
Sicherheitsgefühl bei vielen, vor allem unsicheren und
unerfahrenen, Radfahrern erhöhen. Das
Dilemma ist, dass der Druck auf die Kommunalpolitiker, eine
Gleichberechtigung von Radfahrern und Autos umzusetzen, erst
dann eintritt, wenn die Masse der Radfahrer groß genug
ist, um als relevante Interessengruppe überhaupft wahrgenommen
zu werden. Diese Masse entsteht aber erst wenn sich ältere
Verkehrsteilnehmer, Kinder, Unerfahrene und Unsichere trauen
ebenfalls auf das Fahrrad umzusteigen. CARambolagen sieht
eine Übergansphase für unvermeidlich an. Es sollte
Radwege für die geben die sonst auf dem Gehweg fahren
würden. Radwege sollten aber keiner Nutzungspflicht unterliegen!
Radwegnutzer wiederum sollten auf die Gefahren der Radwege
aufmerksam gemacht werden und zu besonders defensivem Fahren
ermuntert werden. Im Gegenzug müssen Autofahrer ganz
besonders auf die Gefahren für Radfahrer hingewiesen
werden.
Das Fahrrad ist mit
Abstand das umweltfreundlichste und effizienteste Fahrzeug.
Ivan Illich
schrieb 1973
in seinem brillianten Essay
»"Energie
und Gerechtigkeit" im Kapitel "Grade der Mobilität
("Narrenlob" des Fahrrads)":
..."Vor
einem Jahrhundert wurde das Kugellager erfunden. Es verringerte
den Reibungskoeffizienten um das Tausendfache." ... ...
"Das "Rad", der Rollkörper - wohl die
letzte der großen neolithischen Erfindungen - wurde
schließlich nutzbar für die aus eigener Kraft getriebene
Mobilität. Das Kugellager ist hier Symbol für einen
endgültigen Bruch mit der Tradition und für die
entgegengesetzten Richtungen, in die Entwicklung führen
kann. Ohne Geräte kommt der Mensch recht gut zurecht.
Er befördert ein Kilogramm seines Gewichts in 10 Minuten
einen Kilometer weit und verausgabt dabei 0,75 Kalorien. Der
zu Fuß gehende Mensch ist thermodynamisch leistungsfähiger
als jedes Motorfahrzeug und die meisten Tiere. Im Verhältnis
zu seinem Gewicht leistet er mehr Bewegungsarbeit als die
Ratte oder der Ochse und weniger als das Pferd oder der Stör.
Mit diesem Maß an Leistung besiedelte der Mensch die
Erde und machte seine Geschichte. In diesem Maß verbringen
bäuerliche Gesellschaften weniger als 5 % und Nomaden
weniger als 8 % ihres jeweiligen gesellschaftlichen Zeithaushalts
im Verkehr außerhalb des Hauses oder Lagers.
Auf dem Fahrrad kann der Mensch sich drei- bis viermal schneller
fortbewegen als der Fußgänger, doch er verbraucht
dabei fünfmal weniger Energie. Auf flacher Straße
bewegt er ein Gramm seines Gewichts einen Kilometer weit unter
Verausgabung von nur 0,15 Kalorien. Das Fahrrad ist der perfekte
Apparat, der die metabolische Energie des Menschen befähigt,
den Bewegungswiderstand zu überwinden. Mit diesem Gerät
ausgestattet, übertrifft der Mensch nicht nur die Leistung
aller Maschinen, sondern auch die aller Tiere.
Die Erfindung des Kugellagers, des Tangentenspeichenrades
und des pneumatischen Reifens zusammen können nur mit
drei anderen Ereignissen in der Geschichte des Transports
verglichen werden: Die Erfindung des Rades beim Anbruch der
Zivilisation nahm die Last von den Schultern des Menschen
und lud sie auf den Schubkarren. Im europäischen Mittelalter
steigerte die Erfindung und gleichzeitige Anwendung der Trense,
des Schultergeschirrs und des Hufeisens die thermodynamische
Leistung des Pferdes um das bis zu Fünffache und veränderte
die Ökonomie des mittelalterlichen Europa. Sie ermögliche
ein häufiges Pflügen und eröffnete damit die
rotierende Fruchtfolge. Sie versetzte weiter entfernte Felder
in die Reichweite des Bauern, und erlaubte damit der Landbevölkerung,
aus Weilern mit 6 Familien in 100-Familien-Dörfer zu
ziehen, in den Umkreis der Kirche, des Marktplatzes, des Gefängnisses
und später der Schule. Sie ermöglichte die Kultivierung
im Norden gelegener Böden und verlagerte das Zentrum
der Macht in die kalten Klimazonen. Und schließlich
schuf der Bau der ersten hochseetüchtigen Frachtschiffe
durch die Portugiesen im 15. Jahrhundert unter der Ägide
des sich entfaltenden europäischen Kapitalismus die Grundlagen
einer weltumspannenden Marktwirtschaft und den modernen Imperialismus."
...
... "Das Fahrrad
benötigt auch wenig Raum. Achtzehn Fahrräder können
auf der Fläche geparkt werden, die ein Auto beansprucht,
dreißig Räder können auf dem Raum fahren,
den ein einziges Automobil braucht. Es werden zwei Fahrspuren
einer gegebenen Breite benötigt, um 40 000 Menschen mit
modernen Zügen innerhalb einer Stunde über eine
Brücke zu befördern, vier um sie in Bussen zu fahren,
zwölf um sie in Pkw zu befördern und wieder nur
zwei, um auf Fahrrädern hinüberzuradeln. Unter all
diesen Fahrzeugen erlaubt nur das Fahrrad dem Menschen wirklich,
von Tür zu Tür zu fahren, wann immer, und über
den Weg, den er wählt. Der Radfahrer kann neue Ziele
seiner Wahl erreichen, ohne daß sein Gefährt einen
Raum zerstört, der besser dem Leben dienen könnte.
Fahrräder ermöglichen es dem Menschen, sich schneller
fortzubewegen, ohne nennenswerte Mengen von knappem Raum,
knapper Energie oder knapper Zeit zu beanspruchen. Er benötigt
weniger Stunden pro Kilometer und reist doch mehr Kilometer
im Jahr. Er kann den Nutzen technologischer Errungenschaften
genießen, ohne die Pläne, die Energie oder den
Raum anderer übermäßig zu beanspruchen. Er
wird Herr seiner Bewegung, ohne die seiner Mitmenschen wesentlich
zu beeinträchtigen. Sein neues Werkzeug schafft nur solche
Bedürfnisse, die es auch befriedigen kann. Jede Steigerung
der motorisierten Beschleunigung schafft neue Ansprüche
an Raum und Zeit. Die Verwendung des Fahrrads beschränkt
sich von selbst."
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