Die Vorherrschaft des Autos beenden
 
 
Global denken - lokal handeln
 
Editorial  
               
 

20.5.2010
"Begegnungszonen" mit Parkplätzen am Golf
von Frank Mankyboddle

Öl in der Menge von drei Tankern der „Exxon Valdez“-Klasse (der Öltanker der 1989 2000km der Küste Alaskas verseuchte) ist laut BILD.DE bisher in den „Golf von Mexiko“ gelaufen. www.bild.de/BILD/news/2010/05/28/quelle-am-meeresgrund/was-sprudelt-da-eigentlich-raus.html  Ein „schnelles“ Ende des Ausflusses wird immer unwahrscheinlicher. „Amerika fürchtet die ewige Ölpest“ schreibt SPIEGEL ONLINE. www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,697554,00.html  Die Gier nach billigem Öl für Autos führt zu immer katastrophaleren Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen. Der „Golf von Mexiko“, eine der „exotischsten“ und schönsten Meeresregionen der Welt droht in seiner Gesamtheit zur Kloake zu werden.

Je größer und globaler die Umweltkatastrophen, desto fanatischer, so will man uns weismachen, verteidigt Otto-Normal-Sprit-VerbraucherIn seinen/ihren partikularen Anspruch auf Umweltzerstörung. Wenn ich schon nicht den „Golf von Mexiko“ vor der Tür haben kann, dann doch wenigstens MEINEN immer noch schwerer, schneller und gar nicht sparsamer werdenden „Golf von VW“ - auf MEINER Straße, in MEINEM Kiez. Die Währung dieser Öl verbrauchenden und Ressourcen vernichtenden „Pest“ ist im urbanen Raum der „Parkplatz“. Reichlich und gratis soll er sein. In Pankow kämpfen für MEINEN Parkplatz die „SPD“ und die „Linkspartei“, mit einer Verbissenheit, als sei es der letzte Weidegrund für die letzten Menschen. Die vom Senat bei den Bezirken angeforderten, und vom Stadtrat gelieferten, Vorschläge für mögliche Standorte sogenannter „Begegnungszonen“ kommen da denkbar ungelegen.

„Global denken – lokal handeln“ – diese von dem prominenten Umweltaktivisten David Ross Brower weltweit berühmt gemachte Maxime, löst bei den Pankower „Links“-Politikern der BVV nur gelangweiltes Kopfkratzen aus. Man hat doch schließlich die „Macht“ und nutzt sie, wie am letzten Dienstag (25.5.2010), um „Begegnungszonen“ zu verhindern, Initiative(n) zu ersticken, Entscheidungen zu vertagen und die Zumutungen des Umweltschutzes nach dem „Sankt-Florians-Prinzip“ (SPD) von der eigenen (vermeintlichen) Wählerklientel abzuwenden. Man wähnt sich „Volkspartei“ deren Klient eben das Volk als Ganzes ist. Und das Volk will Parkplätze - um jeden Preis. Niemand weiß besser was das Pankower Volk will, als die Fraktionen „Hoch auf dem roten Wagen ♪“ und schlägt sich zum Zweck des Erhalts der oben schon erwähnten Macht auf die Seite von Volkes Wagen, Kapital und Co.

Nun wird Pankow aber, politisch gesehen, von mindestens zwei „Völkern“ besiedelt. Den Alt-Pankower/Weißenseer „Linken“ und den „Prenzlberger“ „Grünen“. Letztere erzielen bei Wahlen zum Teil „soviet-sozialistische“ Wahlergebnisse, und zwar in den Stimmbezirken der „Szeneviertel“, für die im Verkehrsausschuss der größte Teil der „Begegnungszonen“ vorgeschlagen wurde. Aber erwartungsgemäß wurde dort eine Entscheidung, wann, wo und wie diese im Siedlungsgebiet der „Prenzlberger“ umgesetzt werden, von den „linken“ Parteien ins Ungefähre vertagt. In der besagten Sitzung, die mit regem Interesse von den nicht wenigen Vertretern der Öffentlichkeit verfolgt und kommentiert wurde, sickerte vor allem die Erkenntnis durch, dass für viele der vorgeschlagenen Zonen gar keine Zustimmung des Senats notwendig ist. Ein „global denkender“ Bezirk könnte hier also völlig eigenVERANTWORTLICH „lokal handeln“.

Zwar hat die SPD einen Antrag gestellt, den Straßenraum rund um die Gethsemanekirche zur „Spielstraße“ umzubauen, um der lokalen Initiative „Platz der Friedlichen Revolution“ entgegen zu kommen. Die größte Angst der Antragsteller wird aber im letzten Absatz des Antrags deutlich: „Der bislang zur Verfügung stehende, ohnehin knappe und von den Anwohnern benötigte Parkraum wird nicht wesentlich eingeschränkt“.

Von knappen Ressourcen, durch Autos getötete Kinder oder dem halb leeren Parkhaus in den „Allee Arkaden“ in 100 Metern Entfernung redet hier niemand.* Was zählt sind Gratis-Parkplätze, hinter denen sich weiterhin die dringend umzusetzende ökologische Stadtentwicklung staut. Man redet gern von weit reichenden Klimaschutzzielen (80% bis 2050!) aber beim Verkehr soll alles bleiben wie es ist. Dabei gibt es hervorragende Alternativen zum EIGENEN Auto (www.car2go.com), die 90% des öffentlichen Raumes in Berlin (!) für Radwege, Spielstraßen und Flaniermeilen zurückgewinnen könnten.

Parkplätze sind besetzte Radwege, verlorene Spielstraßen, gestohlener öffentlicher Raum. An der Gethsemanekirche will „Rot-Rot“ nicht darauf verzichten, sondern vergeudet mit der Quadratur des Kreises Zeit, Energie und die Geduld einer willigen Bürgerschaft, deren Willen das Bündnis „Neue Urbanität mit Zukunft“ mit zahlreichen Unterschriften dem Ausschuss präsentierte.

Ein „großer Wurf“ FÜR einen im Bezirk einzigartigen urbanen Platz, der vor allem (aber nicht nur) den von Kindern oft gewünschten Auslauf ohne Sand und Schaukel schaffen würde, soll auf jeden Fall verhindert werden. Die Bürgerinitiativen dürfen sich schon jetzt auf ein Gemurkse à la Kollwitzplatz freuen, das dann „Spielstraße“ genannt wird und vermutlich als „Deutschlands schönster Parkplatz“ in die noch zu schreibende Geschichte der „friedlichen Revolutionen“ eingeht. - „Aber der Wagen der [über]rollt… ♪ “… wenn er nicht 23 Stunden am Tag auf einem unserer schönsten Plätze steht…

* Bittere Ironie holte die Debatte in der Ausschusssitzung ein, als der grüne Stadtrat, Jens-Holger Kirchner, verkündetet, dass in der vorangegangenen Woche, im Stadtteil Karow, ein zehnjähriges Mädchen von einem Auto angefahren und schwer verletzt wurde.